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Bruno Goller

Retrospektive 1922–1992

Bruno Goller

Retrospektive 1922–1992

Inhaltsverzeichnis

01 Einführung

01 Einführung

Lange hat man die Malereigeschichte des 20. Jahrhunderts als Konkurrenzkampf von Schulen und Stilen gedeutet und dabei übersehen, wie bestimmend gerade die Außenseiter für die Entwicklung der Kunst sein können. Zur Gruppe dieser nonkonformistischen Einzelgänger gehört – trotz mancher Parallelen, die sein Schaffen zur Kunst des Surrealismus und zur Neuen Sachlichkeit aufweist – auch Bruno Goller.

1901 in Gummersbach geboren und seit 1927 dauerhaft in Düsseldorf ansässig, entfaltet er in über siebzig Schaffensjahren eine magische Bildwelt, die, im Kontrast zur großen Zeitströmung der Abstraktion, von einem klaren Bekenntnis zur Gegenständlichkeit geprägt ist. Wir erkennen Häuser, Uhren, Hüte, Rosen, Schirme, Mäntel und, nicht zuletzt, Frauen, die in aller Regel typisiert und streng formalisiert wiedergegeben werden. Wenn auch gelegentlich Männer in seinen Gemälden auftauchen, so sind es doch die Frauen, die im Zentrum seiner Kunst stehen. In ihrer idolhaften Präsenz sind sie jedoch so wenig greifbar und ausdeutbar wie all die Gegenstände, von denen sie umgeben sind.

Welche tiefere Bedeutung führt all die Dinge im Bild zusammen? Sicher sind assoziative Verknüpfungen des Bildinventars punktuell möglich, doch sperren sich Gollers Gemälde gegen eine eindeutige Lesbarkeit. Sie verweigern sich letzten Endes dem Zugriff des Interpreten und gewinnen gerade daraus ihre Strahlkraft: die Magie des Rätselhaften.

Das Frühwerk (1922-1949)

DAS FRÜHWERK

Auch Bilder haben ihre Geschichten, manchmal sogar ein spezielles Schicksal. Bruno Gollers Mädchenbildnis gehört zu den wenigen Vorkriegsarbeiten, die dem Künstler erhalten geblieben sind. 1940 wird er zum Kriegsdienst einberufen, drei Jahre später zerstört ein Luftangriff sein Düsseldorfer Atelier und vernichtet fast sein gesamtes Frühwerk.

Nur wenige Gemälde werden gerettet, unter anderem das Mädchenbildnis, dessen Leinwand in der Dramatik der Situation durchstoßen und damit schwer beschädigt wird. Erst kürzlich restauriert, markiert dieses Bild einen wichtigen Koordinationspunkt für die weitere Entwicklung des Künstlers: Denn Goller wird sich schon in den 1940er Jahren von der postromantisch-träumerischen Haltung, die dieses Werk verkörpert, lösen und seine Frauenbildnisse in eine gänzlich emotionslose Distanz rücken.

An die Stelle eines sehnsuchtsvollen Schauens tritt ein visionärer Blick, der sich auf eine Welt und Wirklichkeit jenseits unseres Alltags richtet.

Bruno Goller, HAND MIT TROCKENEN BLUMEN, 1930

Öl auf Leinwand, 50x60 cm

Privatsammlung Köln

Foto: David Ertl, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Es gibt Schlüsselbilder, die wie Wegweiser ein Gesamtwerk erschließen können. Zu dieser Kategorie von Arbeiten gehört sicher das frühe Gemälde Hand mit trockenen Blumen, das von einem melancholischen Grundton geprägt ist.

Es zeigt einen ins Bild ragenden Männerarm, dessen Hand ein Strauß zu entgleiten, zu entschweben scheint – ein verwehter und allmählich vertrocknender letzter Liebesgruß? Darauf könnte das Liebessymbol der Mispeln deuten. Sie definieren den Strauß als Medium einer intimen Botschaft, der freilich sowohl der Absender als auch der Adressat bzw. die Adressatin abhandengekommen sind. Auch wenn man beide jenseits des Bildausschnitts vermuten könnte, gerät deren so unkörperliche Kommunikation doch ins Stocken, zu einem Standbild vergeblicher Liebesmühen – eine Liebesgeschichte ohne Happy End?

Viele von Gollers späteren Gemälden, speziell seine Frauenbildnisse, rücken die Motive in eine unüberbrückbare Distanz. Sie spiegeln eine biographisch begründete Verlusterfahrung, die auch die Kunst nicht überwinden kann.

Bruno Goller, DER UHRMACHER, 1949

Öl auf Leinwand, 110x110 cm

Galerie Michael Haas, Berlin

Foto: Lea Gryze, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Bruno Goller, DIE GARDINE, 1949

Öl auf Leinwand, 111x111 cm

Privatsammlung, USA

Foto: Lea Gryze, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Die Erinnerung ist eine zentrale Triebfeder für Gollers Schaffen. Und so taucht in einem der Gemälde des Jahres 1949 jener Uhrmacher auf, der sein Geschäft unweit des Putzmacherladens von Gollers Mutter betrieb. Ausgestreckt auf einem Sofa und umfangen von einem Netz ornamentaler Formen, schaut er auf die Rückwand seines Verkaufsraumes.

Man könnte annehmen, dass seine Aufmerksamkeit dem zappelnden Ballett der Uhren, dem ewigen Lauf der Zeit und damit seinem Beruf gilt, doch ruht sein Blick auf etwas Anderem, auf einem kleinen, koketten Frauenkopf, der etwas versteckt über einer der Uhren thront. Dessen unwiderstehliche Anziehungskraft katapultiert den braven Uhrmacher gedanklich aus Raum und Zeit, die Sehnsucht nach der ewigen Liebe lässt die Uhren verstummen.

Kein Ticken ist hier noch vernehmbar, weil Goller auf eine neue Art von Stillleben zielt. An die Stelle einer ablesbaren Bildgeschichte tritt die Wirkungsmacht der Dinge und, nicht zuletzt, die magische Präsenz der Frauen.

Frauenbildnisse

FRAUENBILDNISSE

Mitte der 1950er Jahre zeigt sich ein Wandel in Gollers Malerei. Besaßen die vorher entstandenen Gemälde noch erzählerische Momente in dem Sinne, dass Situationen geschildert oder kleine Geschichten erzählt wurden, so erscheinen die Bilder nun strenger, formalisierter, in ihrer Motivik der Zeitlichkeit enthoben.

Bruno Goller, SITZENDE FRAU, 1954

Öl auf Leinwand, 155x50 cm

Literatur- und Kunstinstitut Hombroich / Sammlung Kahmen

Foto: Achim Kukulies, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Bruno Goller, RÜCKENAKT MIT ROSE, 1960

Öl auf Leinwand, 150x86 cm

Privatsammlung Frankfurt am Main

Foto: Georg Heusch, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Ein Beispiel dafür liefern die karyatidenhaften Frauenfiguren jener Jahre. Sie begegnen uns in der Sitzenden Frau, die, monumentalisiert durch das stelenhaft gestreckte Bildformat, eher einer Hohepriesterin als einem Wesen aus Fleisch und Blut ähnelt. Bekrönt von einem Nimbus aus zwei unregelmäßigen Rauten/Quadraten, richten sich ihr visionärer Blick und ihre rituelle Gestik auf ein wie immer definiertes Jenseits, das das Diesseits des Bildes magisch auflädt. Entsprechend vermittelt das Gemälde die Aura einer Über-Wirklichkeit quasi-sakralen Charakters, die für Gollers visionäre Frauenbildnisse der 1950er Jahre durchaus typisch ist.

Bruno Goller, DIE GOTTESANBETERIN, 1978

Öl auf Leinwand, 85x140 cm

Privatbesitz

Foto: David Ertl, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Die Gottesanbeterin zählt zur Gattung der Fangschrecken und lebt in wärmeren Regionen Europas, speziell im Mittelmeerraum. Als „Lauerjäger“ sucht sie sich ihre Opfer unter Heuschrecken und Grillen und kann eine Größe von acht Zentimetern – bei den Weibchen – und sechs Zentimetern – bei den Männchen – erreichen. Gleichermaßen erschreckend wie gruselig-spektakulär ist ihr Paarungsverhalten, das in einer Art sexuellem Kannibalismus mündet: Das Weibchen frisst seinen männlichen Partner während des Sexualaktes auf.

Daher kann die Gottesanbeterin als Symbol für die weibliche sexuelle Dominanz fungieren und so muss man das Motiv auch im Rahmen von Gollers Werk verstehen. Sein ganzes Schaffen kreist um das Thema der anziehenden aber stets unerreichbaren Frau.

Sie ist ein Objekt der Sehnsucht und der erotischen Projektion, birgt aber, wie eine allegorisierende Deutung der Gottesanbeterin deutlich macht, auch ein manifestes Gefahrenpotential.

Im Akt und Hut treffen zwei wesentliche Charakteristika für Gollers Bildsprache aufeinander: die ausdruckslose Starre der Frauen auf der einen Seite und die unergründliche Bewegtheit gebräuchlicher Gegenstände auf der anderen.

Der weibliche Akt links im Bild ähnelt viel eher einer Marmorstatue als einer lebendigen Frau. Die Blässe ihrer Haut, die ausgearbeitete Schattierung, der leere Blick und das um ihre Hüften drapierte Gewand geben ihr das Aussehen einer antiken Göttin, welche wie eine Ikone in einer Wandnische platziert wurde.

Währenddessen scheint ihr Bildpendant, der Hutständer, sich vermenschlicht zu haben: Seine Komposition imitiert die senkrechte Ausrichtung der Frauenfigur, der Hut dient als Platzhalter für den Kopf und die freischwebenden Blumen ergänzen den Ständer um ausgestreckte Arme.

Der Mensch wird zum Ding und das Ding zum Menschen. Gollers Gemälde zeigen verkehrte Realitäten in einem Spannungsfeld zwischen rätselhafter Lebendigkeit und emotionsloser Distanziertheit.

Die Magie der Dinge

DIE MAGIE DER DINGE

Die Gegenstände, die in Gollers Werken auftauchen, sind in aller Regel klar erkennbar. Gleichwohl wirken sie entrückt, entziehen sie sich einer potentiellen Verfügbarkeit durch den Menschen.

Das trifft auch auf Den Sessel zu, der zwar mit zwei seiner Beine den innerbildlichen Rahmen überschreitet – und sich dadurch dem Betrachter:innenraum annähert –, andererseits aber fest in die ornamentale Bildstruktur eingebettet ist. Das schränkt seine augenscheinliche „Beweglichkeit“ ein, schließt sie aber auch nicht gänzlich aus: Es entsteht nämlich der Eindruck, als würden sich die Formen des Objekts verschieben, als besäße dieser Sessel ein inneres, geheimnisvolles Leben.

Die Surrealisten um André Breton beschrieben diese „innere Erregung“ der Dinge und feierten enthusiastisch ihre „konvulsivische Schönheit“. Sie fesselt die Betrachter:innen durch eine Faszinationskraft, für die es letzten Endes keine kausalen Erklärungen gibt.

Maschinen und Maschinenteile gehören nicht unbedingt zu den Standardmotiven von Gollers Bildsprache. Gleichwohl ist auch dieses Werk typisch für sein Bildverständnis, das die Motive eher addiert, als sie in eine funktionelle oder strukturelle Beziehung zu setzen.

Wie in einem Setzkasten abgelegt, begegnen uns diverse technische Fundstücke, die kein Ingenieur zu einem funktionierenden Ganzen zusammenführen könnte. Alle Formen sind nämlich einzeln gedacht und dargestellt und erlangen in dieser Isolation eine individuelle Ausdruckskraft, die den technischen Bedeutungszusammenhang immer wieder in den Hintergrund treten lässt.

Ähnelt das Motiv links oben nicht einem hilflos auf dem Rücken liegenden Käfer? Und lassen uns die Auslässe des unten gelagerten Zylinders nicht in ein dunkles, beängstigendes Nichts schauen? Sicher stehen all diese Gegenstände bedeutungsvoll für sich selbst und sowohl Goller als auch sein Schüler Konrad Klapheck (der eine wahre Idolatrie des Technischen betrieb!) ist es gelungen, das unergründliche Eigenleben der Dinge durch ihre Malerei zu beschwören.

Bruno Goller, DREI HÜTE, 1956

Öl auf Leinwand, 55x131 cm

Von der Heydt-Museum, Wuppertal

Foto: Medienzentrum Wuppertal, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Die Wiederholung ein- und desselben Motivs innerhalb des Gemäldes Drei Hüte lässt zunächst an die Serienproduktionen der Pop Art denken: eine stumpfe Aneinanderreihung mehrerer Konsumgegenstände.

Auf den zweiten Blick fallen jedoch die unterschiedliche Schattierung und der ungleichmäßige Farbauftrag auf – jeder Hut bewahrt seine Individualität, hat sein eigenes Innenleben. Vor allem der mittlere Hut verstärkt diese Vorahnung, scheint er doch gerade über die angedeutete Oberfläche aus dem Blickfeld der Betrachter:innen zu spazieren.

Das extreme Querformat, die geometrischen Rahmungen und die freischwebenden Ornamente verleihen dem Werk zusätzlich eine Dynamik, die die Steifheit der leblosen, gebräuchlichen Hüte auflöst. Wir blicken in eine surreale Welt aus abstrakten Formen und lebendig gewordenen Gegenständen. Das Gemälde schwankt bereits zwischen der für Goller so typischen emotionslosen Starre und einer spielerischen, kompositorischen Freiheit, die charakteristisch für sein Spätwerk ist.

Bruno Goller, DAS HAUS BRENNT, 1957

Öl auf Leinwand, 171x120 cm

Privatsammlung

Foto: Lea Gryze, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Bruno Goller, GUMMERSBACH, 1965

Öl auf Leinwand, 180x130 cm

Privatsammlung Köln

Foto: David Ertl, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Gollers Gemälde sind in ihrem Kern Stillleben. Die Personen und Gegenstände wirken entzeitlicht, sie erscheinen den Betrachter:innen wie kühle Monumente ihrer selbst. Erzählerische Elemente, die noch im Frühwerk eine gewisse Rolle gespielt haben, sind ab den 1950er Jahren aus seinen Gemälden verschwunden, von Dramatik ist keine Spur mehr.

Eine Ausnahme bildet da allenfalls das Gemälde Das Haus brennt, welches bereits thematisch einige erzählerische Spannung bieten könnte. Doch meidet Goller jede Form der emotionalen Aufladung und wählt stattdessen den Weg der strengen kompositionellen Formalisierung. Alle Bildelemente sind in die Fläche gerückt und so bietet sich kein Raum für dramatische Ereignisse.

Mag die Katze, die geradewegs dem „Struwwelpeter“ von Wilhelm Busch entsprungen zu sein scheint, auch warnend ihre Tatzen heben – Gefahr ist hier nicht im Verzug: Hier schlagen keine Flammen aus dem modernistischen Formenspiel der Fenster und der Rauch, ja, der mutiert zu zahmen Schäfchenwolken.

Die magische Stille, die in Gollers Gemälden herrscht, wird – paradoxerweise – besonders in jenen Arbeiten thematisch, die sich in einer losen Werkreihe dem Motiv des Ohres widmen. Mal wird ihm im Kontext anderer Motive eine prominente Rolle zugewiesen – wie in der Großen Tasse des Jahres 1957 –, mal steht das Ohr als Monument seiner selbst hieratisch in der Bildmitte.

Trotz seiner Präsenz bleibt es gleichwohl taub und resistent gegen jegliche Ansprache, mutiert somit im Bild zu einem Anschauungsobjekt, das die Betrachter:innen einlädt, das Labyrinth der Ohrmuschel samt seiner aufgehellten Höhen und dunklen Abgründe zu erkunden. Folgt man all den Mäandern der Formen, mag man eine Ahnung davon erhalten, welch weiten Weg Worte zurückzulegen haben, bis sie in unser Herz und Hirn gelangen, und wie schwer ein „Verstehen“ des Gegebenen überhaupt ist.

Gibt es für alle Dinge sprachliche Erklärungen oder bewahrt nicht alles Existierende einen Kern des Rätselhaften? Gollers Kunst scheint das Letztere zu bestätigen.

Bruno Goller, DIE KATZE, 1962

Öl auf Leinwand, 141x120 cm

Galerie Michael Haas, Berlin

Foto: Lea Gryze, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Bruno Goller, DIE KATZE, 1971

Öl auf Leinwand, 141x120,5 cm

Privatsammlung

Foto: Lea Gryze, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Von Bruno Goller ist bekannt, dass er Zeit seines Lebens Katzen als Haustiere hielt. Insofern verwundert es nicht, dass auch sie eine prominente Rolle in seiner Malerei spielen.

Bezeichnend ist mit Blick auf Die Katze von 1971 nun aber die Art ihrer Darstellung. Die Katze wird nicht als zärtliches Schmusetier – also als häuslicher Stimmungsaufheller – wiedergegeben, sondern sie posiert fast bildfüllend auf einem Sockel, gerahmt von einem mit Pflanzenornamentik dekorierten Vorhang. All das überhöht ihre Erscheinung und verleiht ihr die Wirkung eines der Alltagswirklichkeit enthobenen Idols.

Im Fell merkwürdig gescheckt und im Kopf mit fast menschlichen Zügen versehen, ist sie eine mehrdeutige Schimäre, die in den Betrachter:innen eine Flut von Assoziationen auslöst. Mal könnte man sie für eine durchaus bedrohliche Zirkuskuriosität halten, mal erinnert sie an altägyptische Katzengöttinnen, die symbolhaft für Liebe und Fruchtbarkeit einstehen. Doch so evident das Motiv ist, so rätselhaft bleibt seine Bedeutung.

Geometrie & Ornament

GEOMETRIE & ORNAMENT

Auch wenn Bruno Goller im Grundsatz ein gegenständlicher Maler ist, respektiert er doch die Gesetze des Mediums Bild, dessen prinzipielle Künstlichkeit. Nie ist es seine Absicht, Duplikate der Wirklichkeit herzustellen, was sich schon in der ornamentalen Überformung der Motive, die er ab den 1940er Jahren verfolgt, zeigt. Sie führt Goller schließlich in den späten 1950er Jahren an die Grenze der Abstraktion.

Ein Beleg hierfür ist die Komposition Oval des Jahres 1957, die schon durch den Titel ein Bekenntnis zur Ungegenständlichkeit formuliert. Allerdings fehlt den in einem Oval gefassten Tropfenformen und Schlängellinien letztendlich doch der Flächenbezug und damit die Referenz auf die zweidimensionale, rechtwinkelige Realität des Bildes. Eben dieser fehlende Flächenbezug beflügelt sofort Assoziationen, die nun wieder ins Gegenständliche weisen. Man könnte mit Blick auf die zentrale Form an eine Kamee, einen Manschettenknopf, gar an einen Stempelabdruck, versehen mit einer chiffrierten Botschaft, denken, was zu Gollers Bildverständnis passen würde.

Nichts ist ihm fremder als ein inhaltsferner Formalismus, da doch alles mit Bedeutung unterlegt ist.

Gollers Kompositionen sind ab den 1950er Jahren zunehmend in eine Architektur aus abstrakten, dekorativen Formen eingebettet.

In Hut und Katze weitet sich der ornamentale Hintergrund sogar auf die titelgebenden Motive aus – die stark ausgearbeitete Schattierung sorgt für scharfe Umrisse, die die dargestellten Körper und Gegenstände als Ansammlungen geometrischer Formen erscheinen lassen: der kreisförmige Oberschenkel, der gerundete Schwanz und Rücken der Katze, die ins Unkenntliche abstrahierten Hüte, die klaren Linien des Frauenkörpers und das mosaikartige Muster der Kleidung.

Durch die Ornamentalisierung der Figuren und Gegenstände werden diese noch stärker von ihrer Bedeutung befreit, werden ebenso wie die dekorativen Formen zu rein physischen Objekten. Gleichzeitig heben sich die Hüte, die Katze und die Frau durch ihre übertriebene Plastizität von dem zweidimensionalen Ornamentteppich ab.

Die Motive, die jeweils metaphorische Platzhalter für Gollers Erinnerungen sind, behaupten sich gegen das alles verschlingende Ornament – gegen das Vergessen.

Bruno Goller, SPIEGEL UND HUND, 1949

Öl auf Leinwand, 80x140 cm

Literatur- und Kunstinstitut Hombroich / Sammlung Gahmen

Courtesy Galerie Haus Schlangeneck

Foto: Achim Kukulies, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Bruno Goller, HUT UND KATZE, 1953

Öl auf Leinwand, 80x135 cm

Literatur- und Kunstinsitut Hombroich / Sammlung Kahmen

Foto: Achim Kukulies, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Gollers Gemälde erinnern oft an gemalte Collagen: Scheinbar zusammenhangslose Motive werden auf einer Farbfläche nebeneinanderplatziert und sind durch Rahmen strikt voneinander getrennt. Trotzdem erscheint das Gemälde Spiegel und Hund durch farbliche und formale Korrespondenzen als Einheit. Die gesamte Komposition wird durch verschiedene Grautöne und die Form des Vierecks dominiert; die goldenen Ornamente und Voluten des Spiegels wiederholen sich in der gespreizten Gestalt des Hundes.

Das Werk strahlt eine symmetrische Harmonie aus, die auch zu Gollers Privatleben passt: das geordnete und ereignislose Leben eines zurückgezogenen Einzelgängers. Zugleich war seine Jugend von verschiedenen Tragödien geprägt: Er erlebte Kriege, Wirtschaftskrisen, erschütternde Weltzustände.

Äußert sich in dem wiederholten Rückgriff auf die geometrischen Formen und Rahmen vielleicht der Wunsch nach Ordnung und Symmetrie? Handelt es sich um einen malerischen Versuch, dem chaotischen Zeitgeschehen zu entfliehen und ein strukturiertes und geordnetes System entgegenzusetzen?

Gollers Schüler

GOLLERS SCHÜLER

„Ich nahm seine Sicht der Dinge, fügte meine Neigung zu Perfektion und Brillanz hinzu und schob meine Bilder durch die Titel auf die Ebene einer Selbstanalyse“, schrieb Konrad Klapheck mit Bezug auf seinen Lehrer Bruno Goller, bei dem er zwischen 1954 und 1958 studierte.

Vor allem bekannt durch seine Maschinendarstellungen, hat auch Klapheck sich früh zu einem nüchternen, figurativen Stil bekannt und, dank der Ermutigung seines Lehrers, gegen den zeitspezifischen Trend der Abstraktion entschieden. Mit einer distanziert-kühlen Formensprache erwecken Klaphecks Bügeleisen, Schreibmaschinen und Schuhspanner eine ähnlich rätselhafte Lebendigkeit und undefinierbare Ausstrahlung wie Gollers Hüte, Katzen und Frauen.

Doch anders als sein Lehrer, der über die Malerei private Schicksals¬schläge verarbeitete, verwendete Klapheck die Alltagsobjekte als Metapher und stellte Analogien zwischen Mensch und Maschine her. Damit berühren seine Werke Themen wie Gewalt und Erotik, sprechen die Anonymität und Brutalität des industriellen Zeitalters an und reflektieren über das Wesen des Menschen.

Die meisten Schüler Bruno Gollers widmeten sich nach ihrem Studium der abstrakten Malerei.

So auch Helmut Sundhaußen: Unmittelbar nach seinem Studium bei Bruno Goller entstanden noch Darstellungen von Stühlen, Tüchern und Vasen, die zwar Gollers Vorliebe für die häus­lichen Dinge nahekommen, aber bereits stark abstrahiert wurden. Letztendlich widmete sich Sundhaußen ganz den wesentlichen Themen der Malerei: dem Zusammenspiel von Form und Linie, der Wirkung von farblichen Kontrasten sowie der Flächigkeit des Bildträgers.

Im Gegensatz zu den melancholischen Bildwelten Gollers sind Sundhaußens Kompositionen auf leuchtende, monochrome Farben und radikal geometrische Formen beschränkt, die auf eine ganz andere Art ihre emotionale Wirkung entfalten: Das kontrast­reiche Zusammenspiel der Farben sorgt für ein optisches Flirren und eine intensive Lebendigkeit.

Auch die Ge­mälde von Blinky Palermo stehen klar in der Tradition der abstrakten Malerei. Sie sind auf geometrische Linien und minimalistische Farbfelder reduziert, ihre kompositorische Strenge wird jedoch durch freie malerische Elemente und einen Restbezug zur Wirklichkeit aufgelockert. So betonen die verwendeten Alltagsstoffe und ungewöhnlichen Leinwand­formen die sinnlichen Qualitäten eines Gemäldes.

Zugleich veranschaulichen Palermos „Dokumentationen“, dass seine ungegenständlichen Bilder durch reale Orte inspiriert wurden: Mit seinen Formen bezieht sich Palermo beispiels­weise konkret auf Elemente eines Raumes, wie etwa einen Treppenabsatz, ein Fenster oder eine Tür.

Dass Palermo diese Vorliebe für räumliche Bezüge von Bruno Goller über­nahm, der seine Bildwelten oft in eine Schaufenster­architektur einbettete, mag angesichts der sonst fehlenden Ähnlichkeiten eine hochgegriffene Vermutung sein. Dennoch nahmen beide wiederholt architektonische Strukturen auf und setzten sich auf ihre eigene Weise mit bereits Erlebtem auseinander.

Spätwerk

SPÄTWERK

Bruno Goller, DREI MÄDCHEN, 1989

Öl auf Leinwand, 160x120 cm

Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Sammlung Kahmen

Foto: Achim Kukulies, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Bruno Goller, BILD MIT ZWEI ZAHLEN, 1992

Öl auf Karton, 100x75 cm

Privatsammlung

Foto: Lea Gryze, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Bruno Gollers malerisches Werk erstreckt sich über mehr als sieben Schaffensjahrzehnte und hat in diesem Zeitraum durchaus bedeutende Wandlungen erfahren. Sie liegen dabei weniger im Motivischen – da bleibt er stets seiner eigenen Ikonographie treu – als in der konkreten Bildgestaltung.

Seine frühesten, oft noch erzählerisch grundierten Arbeiten sind meist kleinformatig und in einer gedämpften Farbigkeit gehalten. Ab den 1950er Jahren hellt sich seine Palette auf und seine Farben werden intensiver, leuchtender. Eine reiche ornamentale Fassung konzentriert den Blick auf ein zentrales Motiv.

In den letzten Schaffensjahren schließlich werden die Kompositionen wieder freier, sie schweben in einem duftig gemalten Farbfeld, wie es sich in den Drei Mädchen zeigt. Hier gerät alles ins Kippen und eine Form von Alterssouveränität erlaubt es Goller, ein wenig mit seinen Standardmotiven zu spielen. Dazu gehören die Rosen, die Blattornamentik und natürlich die Begegnung mit der weiblichen Gegenwelt, die sogar noch seine spätesten Bilder beherrscht.

Bruno Goller, VERSCHIEDENE BILDER, 1990

Öl auf Leinwand, 140×160 cm

Literatur- und Kunstinsitut Hombroich, Sammlung Kahmen

Foto: Achim Kukulies, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Bruno Goller, STEINBAUKASTEN 1908, 1990

Öl auf Leinwand, 120x161 cm

Privatsammlung

Foto: Lea Gryze, © Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, Bruno Goller-Archiv

Biografie

BIOGRAFIE

Konrad Klapheck, PORTRÄT BRUNO GOLLER, 1997

Kohle auf Papier, 63x49

Literatur- und Kunstinsitut Hombroich, Sammlung Kahmen

Foto: David Ertl, © VG-Bildkunst, Bonn 2024

1901 Bruno Aloysius Goller wird am 5. November in Gummersbach geboren, als letztes von sechs Kindern
der Emmeline Helena Wehler (1858 – 1923), Putzmacherin und Modistin, und des Franz Carl Goller (1856 – 1904), Montageleiter der Kesselfabrik und Eisengießerei Steinmüller in Gummersbach. Von den fünf älteren Geschwistern leben nur noch zwei Brüder.

1904 Plötzlicher Tod des Vaters am 10. September. Die Familie ist jetzt allein auf Einnahmen aus dem mütterlichen Putzmachergeschäft im Erdgeschoss ihres Hauses in der Kaiserstraße 26 angewiesen, für dessen Bau 1898/1899 sie sich hoch verschuldet hat.

1912 Nachdem er im April einen über die Stadt fliegenden Zeppelin gesehen hat, beginnt Goller, einen funktionierenden Flugapparat zu bauen, der auch seinen ästhetischen Ansprüchen genügen muss. Auf dem Alten Schützenplatz in Gummersbach übt er mit ihm zum Staunen anderer Kinder zu fliegen.

1913 Nach einem zusätzlichen Jahr in der Volksschule besteht Goller im zweiten Anlauf die Aufnahmeprüfung zur Oberrealschule in Gummersbach.

1914 Der ältere Bruder, Sekretär beim Amtsgericht in Gummersbach, wird zu Beginn des Ersten Weltkriegs eingezogen und gleich darauf verwundet. Goller besucht ihn im Lazarett in Lemgo. Zurück im Krieg, wird sein Bruder ein halbes Jahr später als vermisst gemeldet.

1916 Goller verlässt die Oberrealschule ohne Abschluss mit Ende der Schulpflichtzeit. Er fühlte sich dort als Sohn einer Putzmacherin nicht zugehörig, auch hat er nach eigener Erinnerung mehrere Schuljahre wiederholen müssen. Am Tag nach seinem 15. Geburtstag sei er „einfach nicht mehr hingegangen.“

1917 Den Versuch, das Einjährige am Lehrinstitut Schmitz in Köln nachzuholen, gibt Goller schnell wieder auf. Da ihn am Beruf des Konditors das Dekorieren der Torten mit der Sahnespritze reizt, versucht ihn seine Mutter vergeblich als Lehrling im Kölner Café Eigel unterzubringen.

Beginn einer Schlosserlehre bei der Maschinenfabrik Schiess-Defries AG in Düsseldorf, gedacht zur Begründung einer Ingenieurslaufbahn, die der Sohn einer Kundin des Putzmacherladens empfohlen hatte, beeindruckt von Gollers Flugkonstruktionen. Goller wird in Düsseldorf bei einer entfernt verwandten Wachtmeisterfamilie untergebracht und muss mit einem der Kinder das Bett teilen. In der Fabrik treibt man derbe Scherze mit ihm. Goller hat Heimweh. Als er nach wenigen Tagen in der Lehre abends an einer Kirche vorbeikommt und dort die Andacht hört, hält ihn nichts mehr und er fährt einfach nach Hause.

Nach dem Abbruch hilft Goller weiter im Laden, „aber ich schämte mich, denn das war doch auch nichts Richtiges für mich.“ Manchmal dekoriert er auch das Schaufenster: „dann blieb aber ganz Gummersbach davor stehen.“ Er beginnt ein wenig zu zeichnen; Kopien von Reproduktionen aus populären Kunstheften. Goller merkt schnell: „Das kannst du, das verstehst du.“

1918 Gegen Ende des Weltkriegs Nachricht vom Tod des vermissten ältesten Bruders. „Das war der Lieblingssohn meiner Mutter.“ Auch Gollers anderer Bruder, der Kaufmann Franz Werner Goller, der wegen einer Lungentuberkulose von Berlin ins Elternhaus zurückgezogen war, stirbt am 19. Februar 1918 22jährig nach mehrjähriger Bettlägerigkeit. Goller und seine herzkranke Mutter bleiben allein zurück. „Die wusste nicht aus noch ein, lag dann immer kreideweiß wie die Wand auf der Erde und ich hilflos, völlig fassungslos dazwischen. Auch das Geschäft klappte nicht. Meine Mutter saß immer da und nähte an den Hüten. Es gab keinen glücklichen Augenblick.“

1919 In Berlin, wo er Anfang des Jahres wegen der französischen Besetzung Kölns für seine Mutter Wareneinkäufe erledigt, sieht Goller im Kronprinzenpalais Kirchners Rheinbrücke Köln (1914) „mit den großen rosa Bögen“, das großen Eindruck auf ihn macht.

Ab Frühjahr Unterricht bei dem Landschaftsmaler Julius Jungheim in Düsseldorf, zufällig vermittelt durch eine mit Jungheim entfernt verwandte Aushilfe im Laden der Mutter.

Goller mietet ein Zimmer in der Duisburger Straße in Düsseldorf.

1920 Immer noch leidet Goller unter Heimweh; und bis 1927 kann er ausschließlich in Gummersbach, wo er sich im Elternhaus unter dem Dach ein Atelier eingerichtet hat, malen.

Beginn der Freundschaften mit dem ukrainischen Violinisten, Komponisten und Maler Jefim Golyscheff und dem Komponisten und Musiktheoretiker Herbert Eimert, die Goller beide in Gummersbach kennenlernt. Weitere langjährige Freunde werden der Maler Ernst Schumacher und der Kunstschriftsteller Will Frieg aus Soest.

1922 Goller fährt mit Jungheim im Frühjahr 1922 zum Landschaftsmalen aufs Land, zum letzten Mal, denn er hat „kein Interesse mehr, bei Jungheim zu bleiben.“

Im selben Frühjahr entsteht in Gummersbach das Ölbild Trockene Blumen, das Gollers selbständiges Werk begründet. „Als ich das Bild gemalt habe, war ich so glücklich wie nie zuvor in meinem Leben.“

Goller sieht Kahnweilers Monographie Der Weg zum Kubismus (München 1920) im Schaufenster und erwirbt es. Das dort beschriebene und in Abbildungen dargestellte Wesen neuer Malerei von Picasso, Braque und Léger wird ihm Bestätigung, künstlerisch einen eigenen Weg einschlagen zu dürfen.

Die Große Kunstausstellung im Städtischen Kunstpalast Düsseldorf (27. Mai bis 15. Oktober) zeigt Gollers Ruhrlandschaft neben Jungheims Vorfrühling. Es ist seine erste Ausstellungsbeteiligung. Gollers Bild wird verkauft.

Zeitgleich zur nationalistisch orientierten Großen Kunstausstellung wird in Düsseldorf die antagonistische I. Internationale Kunstausstellung mit 344 Künstlern aus 19 Ländern (28. Mai bis zum 3. Juli) durch das Junge Rheinland ausgerichtet, wegen verweigerter öffentlicher Unterstützung auf privatem Grund, im Kaufhaus Tietz. Auch Gollers Freund Golyscheff ist mit sechs Arbeiten vertreten. Goller sieht erstmals Rousseau, Matisse, Picasso und Braque im Original und ist überwältigt von Chagalls Sabbat (1910).

1923 Tod der Mutter am 11. November.

Mit Golyscheff kurze Reise nach Borkum gegen Ende des Jahres.

1924 Von März 1924 bis Februar 1925 unternimmt Goller mit Will Frieg und dessen Freundin eine Reise durch Italien. Sein kürzlich erst bezogenes Atelier in der Prinz-Georg-Straße 77 vermietet er unterdessen.

1927 Goller lebt und arbeitet nunmehr ausschließlich in Düsseldorf. Die Vermietung des Gummersbacher Elternhauses sichert ein Existenzminimum.

Im Mai und Juni besuchen Ernst Schumacher und Goller Will Frieg, der nach wie vor auf Capri lebt.

Goller wird Mitglied der Künstlergruppe Das Junge Rheinland und beteiligt sich mit vier Bildern an ihrer Ausstellung in der Städtischen Kunsthalle Düsseldorf im Oktober. Auch dem Kreis um Johanna Ey schließt er sich näher an. Gelegentlich erwirbt sie ein Bild von ihm und bietet es in ihrer Galerie an.

1929 Mitglied der Rheinischen Sezession.

Begegnung mit Elisabeth Nipshagen (1911 – 1991).

Als am 17. November Thomas Mann in der Düsseldorfer Künstlervereinigung Malkasten liest, ist Goller ist unter den Zuhörern; unangenehm berührt von "so viel Eitelkeit". "Er weiß nichts von den kleinen Dingen."

1930 Mitglied der Rheingruppe und des Malkastens.

Im Rahmen der Wanderausstellung Mutter Ey Düsseldorf sind Bilder Gollers wahrscheinlich erstmals außerhalb von Düsseldorf zu sehen.

An der Jahresausstellung der Rheingruppe in der Kunsthalle Düsseldorf im September beteiligt Goller sich mit vier Arbeiten, darunter Lenins Bruder Alexander Uljanow (Pastell auf Nessel). Zu dem Titel habe ihm Schumacher geraten: es verkaufe sich besser, als wenn es einfach „Junger Mann“ heiße. 1933 wird Goller das Bild aus Angst vor Repressalien zerstören.

1931 Austritt aus dem Malkasten, nachdem sich an der Karnevals-Ausstattung eines Zimmers durch Arthur Kaufmann, Ernst Schumacher, Jean Paul Schmitz und Goller ein Richtungsstreit entzündet hatte. Neben Goller und den drei anderen beteiligten Künstlern treten ein Fünftel der Mitglieder der nunmehr weitgehend nationalsozialistisch orientierten Künstlervereinigung aus.

1933 Heirat mit Elsbeth Nipshagen am 15. August, Elsbeths 22. Geburtstag. Trauzeugen sind die Künstler Jean Paul Schmitz und Ludwig Gabriel Schrieber, vor dem Standesamt wartet Ernst Schumacher.

Mit Beginn der NS-Zeit zieht Goller sich weiter zurück. Äußerlich wenig behelligt, ist an eine künstlerisch freie Tätigkeit dennoch nicht mehr zu denken.

1934 Im April erzwungene Schließung der Galerie Ey.

Die finanzielle Situation der Gollers verschärft sich. Versuche, Bilder mit unverdächtigen und gefälligen Sujets zum Verkauf zu malen, haben wenig Erfolg. Immer häufiger müssen Gollers Schulden stunden lassen oder etwas verpfänden.

1936 Im Mai/Juni Gollers wahrscheinlich erste Einzelausstellung in der Düsseldorfer Galerie Rudolf Stuckert in der Blumenstraße. Kein Bild wird verkauft.

1937 Bis zum Ende des sogenannten Dritten Reichs entstehen so gut wie keine Bilder; die vorhandenen versteckt Goller. Ihn verfolgt eine Bemerkung des Leiters der Reichskulturkammer, den er in einer Kneipe in der Altstadt trifft: auch er, Goller, werde nun umgeschult.

1940 Goller wird am 22. Juli zur Musterung einbestellt und nach einer Kurzausbildung von ca. 8 Wochen zum Kriegseinsatz nach Frankreich geschickt.

1943 Zerstörung des Hauses in der Prinz-Georg-Str. 77 durch Brandbomben in der Nacht vom 11. auf den 12. Juni. Verlust des Ateliers von fast allen (etwa 100) Arbeiten, bis auf sechs: Mädchenbildnis (1927), Der Rock (1929), Haus und Hund (1929), Zwei Frauen am Tisch (1934), Frauenbildnis (1938) und ein weiteres.

1945 Von April bis September Lazarettaufenthalt in Regensburg als amerikanischer Kriegsgefangener. Eine Verletzung des linken Auges durch Granatsplitter wird operiert. Nach seiner doppelten Entlassung kehrt Goller nach Düsseldorf zurück, wo Elsbeth Goller eine Notwohnung in der Zietenstraße 51 bezogen hat.

Wiederaufnahme der Malerei.

Am 21. Dezember eröffnet die Düsseldorfer Galerie Hella Nebelung eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst: Malerei – Skulptur – Textile Kunst unter Beteiligung Gollers.

1946 Erneut Mitglied der Rheinischen Sezession.

Bezug einer Atelierwohnung in der Franz-Jürgens-Straße 12 am 1. September.

1949 Mitglied der Neuen Rheinischen Sezession.

Goller erhält zum Wintersemester 1949/40 einen Lehrauftrag an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf zur Betreuung der Grundklasse im Zeichnen, worauf Mataré und Meistermann aus dieser Klasse keine Schüler mehr aufnehmen wollen, so erinnert sich Goller später.

Die Akademietätigkeit nimmt Gollers Kraft in Anspruch und schränkt seine künstlerische Produktivität, zumal in den ersten Jahren, stark ein.

1950 Zum 6. Salon de Mai, an dem er mit zwei Bildern beteiligt ist, reist Goller nach Paris.

Cornelius-Preis der Stadt Düsseldorf.

1953 Nach der Berufung zum Professor übernimmt Goller seine eigene Klasse für Malerei, die Konrad Fischer-Lueg, Johannes Gecelli, Jochen Hiltmann, Konrad Klapheck, Blinky Palermo u. a. besuchen.

1955 Bei der 5. Ausstellung des Deutschen Künstlerbunds im Haus des Kunstvereins in Hannover wird Werner Schmalenbach auf das Werk von Goller aufmerksam und fördert es lebenslang.

Der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen unter Hildebrand Gurlitt führt zwei Entwürfe von Goller für ein Tuch aus.

1957 Umzug in das größere Nachbaratelier in der Franz-Jürgens-Straße 12. Hier lebt und arbeitet Goller bis an sein Lebensende.

1958 Werner Schmalenbach zeigt in der Kestner-Gesellschaft Hannover mit 77 Arbeiten die erste große Einzelausstellung von Goller. Mit 67 Positionen wird die Ausstellung anschließend in der Overbeck-Gesellschaft Lübeck gezeigt.

Die Monographie von Anna Klapheck erscheint.

1959 Mit den Bildern Großes Schaufenster (1953), Zwei Frauen (1965) und Vier weiße Formen (1957) nimmt Goller an der II. documenta '59 in Kassel teil.

Selbständige und durchgeführte großformatige Zeichnungen beginnen im künstlerischen Werk Gollers einen bedeutenden Platz einzunehmen.

1964 Günter Aust veranstaltet eine Goller-Überblicksausstellung mit 73 Werken im Kunst- und Museumsverein Wuppertal.

Am 1. Oktober tritt Goller auf eigenen Wunsch in den vorzeitigen Ruhestand.

1965 Goller vertritt Deutschland auf der VIII. Biennale von São Paulo mit 35 Arbeiten.

Großer Kunstpreis des Landes NRW.

1966 Zu einer Ausstellung von 17 Bildern in der Hanover Gallery reist Goller nach London.

Acht Künstler vertreten Deutschland auf der Ars Baltica in Visby/Gotland, darunter Goller.

1967 Im Mai erster Besuch von Volker Kahmen (1939 – 2017) bei Goller, gemeinsam mit dessen zeitweiligem Schüler Jochen Hiltmann. Kahmen, unterstützt von Georg Heusch, wird über die Jahre Gollers Privatsekretär, Berater, Sammler, Chronist, Monograph und Vertrauter, organisiert und kuratiert Ausstellungen, unterstützt Goller bei der Hängung, hält Eröffnungs- und an Gollers Stelle Dankesreden und führt dessen Korrespondenz.

Ordentliches Mitglied der Akademie der Künste Berlin. Bis zu seinem Tod wird Goller an keiner Mitgliederversammlung teilnehmen.

Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, das Goller persönlich entgegennimmt.

1969 Karl Ruhrberg richtet eine mit 109 Positionen umfassende Retrospektive in der Städtischen Kunsthalle Düsseldorf ein.

1970 Goller, der sich ungern von seinen Bildern trennt, verkauft "Zwei Katzen" (1968) an die Lefebre Gallery, New York, und erwirbt es wenige Wochen später zurück.

1976 Am 16. November Eröffnung einer Ausstellung in Bahnhof Rolandseck, der „so etwas wie eine ständige Heimstatt für Gollers Bilder“ wird (Schmalenbach in: Kunstsammlung NRW 1986, S. 5). Johannes Wasmuth, spiritus rector der Kulturinstitution, erwirbt über die Jahre eine beträchtliche Zahl an Arbeiten von Goller und wird wichtiger Mäzen.

1980 Lichtwark-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg. Kahmen hält beim Festakt am 5.3.1981 die Dankesrede in Vertretung von Goller.

Ein neuer Bildtypus, halb Zeichnung, halb Ölmalerei auf Pappe, taucht in Gollers Werk auf.

1981 Ein mehr als unbedarfter, wohl als Würdigung zu Gollers 80. Geburtstag gedachter Artikel in der art lähmt Goller derart, dass er wochenlang außerstande ist zu arbeiten. Kahmen konstatiert: „Die Gesellschaft, der er sich bisher verweigert hat, greift jetzt unentrinnbar zu.“

Auf dem Kunstmarkt wird für ein großes Goller-Bild 120.000 DM gezahlt; das ist mehr als das Vierzehnfache im Vergleich zu 1969.

Die Monographie von Kahmen erscheint anlässlich der-Ausstellung „Bilder aus den Jahren 1929 – 1981“ im Bahnhof Rolandseck.

1982 In Gollers Heimatstadt Gummersbach findet eine ursprünglich schon für 1980 geplante Ausstellung statt.

1984 Ehrenmitglied der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf.

1986 Retrospektive durch Jörn Merkert in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen.

1988 Am 22. September Verleihung des Verdienstordens des Landes NRW, entgegengenommen von Kahmen.

1990 Am 15. Juli Gründung des Bruno Goller-Archivs e. V. in Köln durch Volker Kahmen und Georg Heusch, das am 3. November seine Tätigkeit in der Jakordenstraße 8 mit der Eröffnung einer Ausstellung zu Gollers 90. Geburtstag aufnimmt.

1991 Im Februar Tod von Elsbeth Goller.

In den neunziger Jahren entsteht in größter Abgeschiedenheit noch ein eindrückliches Spätwerk.

Lucia Macketanz, die Witwe des Malers und Akademiekollegen Ferdinand Macketanz, mit dem Goller ab Mitte der dreißiger Jahre befreundet war, steht Goller in seinen letzten Lebensjahren zur Seite.

1998 Tod von Bruno Goller am 19. Januar.

2001 Große Retrospektive zum hundertsten Geburtstag, kuratiert von Martin Hentschel für die Krefelder Kunstmuseen Haus Lange und Haus Ester und Dieter Schwarz für das Kunstmuseum Winterthur in der Schweiz.

2002 Mit der Ausstellung „100 Bilder und Zeichnungen zum 100. Geburtstag“ wird am 27. Januar das Kunstarchiv Kaiserswerth in Düsseldorf eingeweiht, in dem bis 2019 auch das Bruno Goller-Archiv untergebracht ist.

2012 Goller-Ausstellung mit rund 50 Positionen aus der Sammlung Kahmen im Siza Pavillon auf der Raketenstation Hombroich.

2019 Umzug des Bruno Goller-Archivs unter das Dach des Literatur- und Kunstinstituts Hombroich mit Sitz im Rosa Haus auf der Insel Hombroich.

 

Dieser Biographie liegen vor allem die Monographie von Volker Kahmen (Rolandseck 1981) sowie unveröffentlichtes Material aus dem Bruno Goller-Archiv, dem Nachlass Bruno Goller und dem Nachlass Volker Kahmen zugrunde. Die in Anführungszeichen gesetzten Zitate Gollers entstammen unpublizierten Gesprächsnotizen von Volker Kahmen.

Zur Ausstellung erscheint ein reich illustrierter Katalog im Umfang von 160 Seiten, der von zwei einführenden Essays von Stephan Berg und Christoph Schreier begleitet wird.

@KunstmuseumBonn
#BRUNOGOLLER
www.kunstmuseum-bonn.de

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