Digitalguide

Raum für
Demokratie

Raum für
Demokratie

Inhaltsverzeichnis
Einführung

01
Einführung

Einführung

Der „Raum für Demokratie“ ist Ausstellungsraum und Werkstatt zugleich. Hier verbinden sich Perspektiven aus der Sammlung des Kunstmuseums Bonn mit denen der Besucher:innen.

Anlässlich des 75. Jubiläums des Grundgesetzes widmet das Kunstmuseum Bonn einen Sammlungsraum dem Thema Demokratie. Kunstwerke der vergangenen 75 Jahre blicken aus verschiedenen Zeiten auf die deutsche Geschichte, die Gesellschaft und auf demokratische Werte. Von Mai bis Dezember finden im Raum für Demokratie regelmäßig Workshops statt, die in der partizipativen Gestaltung des DigitalGuides des Kunstmuseums Bonn münden. Abrufbar über QR-Codes, fungiert der DigitalGuide im Raum für Demokratie als Plattform für eine mehrstimmige Kunstvermittlung. Die Besucher:innen kommen zu Wort, teilen und reflektieren ihre Assoziationen und Eindrücke. Zusätzliche Textimpulse im Ausstellungsraum regen zum Schreiben, Lesen und zu Gesprächen an.

Einführung

Eine Ausstellung trägt immer die Handschrift des jeweiligen Museums. Sie zeigt, wie das Museum und die Mitarbeiter:innen sich zu den ausgestellten Themen positionieren. In dieser Logik bieten Ausstellungen nur eine von vielen möglichen Sichtweisen. Bei dem Thema Demokratie möchte das Kunstmuseum Bonn verschiedensten Perspektiven Raum geben.

Dieser DigitalGuide verändert sich in den nächsten Monaten. Den Ausgangspunkt bilden Texte des Kunstmuseums Bonn, die mit euren Perspektiven weiter anwachsen werden. Regelmäßig finden im Ausstellungsraum Werkstätten statt. Ausgehend von den Exponaten wird hier der abstrakte Begriff „Demokratie“ erkundet. Verschiedene Schreibimpulse geben Anlass, ihn mit Erinnerungen, Gedanken und Gefühlen zu füllen. Die entstandenen Texte können in diesen DigitalGuide übertragen werden und Impulse für Gespräche und Gedanken späterer Besucher:innen geben.

Beiträge können über den folgenden QR Code hochgeladen werden.

Werkstatt-Termine
für Jugendliche und Erwachsene
mit Dania D’Eramo

Sonntag, 2. Juni, 15 Uhr: Erinnerungen

Sonntag, 7. Juli, 15 Uhr: Botschaften (Text- und Bildcollagen)

Sonntag, 8. September, 15 Uhr: Grundrechte (Lyrik-Workshop)

Sonntag, 13. Oktober, 15 Uhr: Dialog (Silent Conversations)

Sonntag, 24. November, 15 Uhr: Zukunftsszenarien (gemeinsames Geschichten-Schreiben)

Die Teilnahme ist kostenlos. Eine Anmeldung ist nicht notwendig. Die Teilnahmezahl ist begrenzt.

Menschen aller Muttersprachen sind herzlich eingeladen! Die Texte können in anderen Sprachen geschrieben und im Gespräch übersetzt werden.

Die Worte auf dem Boden stammen von den Museumsbesucher:innen. Wir haben euch gefragt, was Demokratie für euch bedeutet, und das waren eure Antworten.

Werke

02
Werke

Anys Reimann
LE NOIRE DE XXXV, 2022

In der politischen Diskussion ist oftmals die Rede von „dem Bürger“: eine Person, die als Bild der gesamten Bevölkerung verstanden wird. Aber wer ist der Bürger? Deutschland ist vielfältig. Jede vierte Person hat eine Einwanderungsgeschichte. Wie können wir unsere Vielfalt stärken?

Anys Reimann hat mehrere Bilder zusammengeklebt. Sie formen jetzt eine einzige Person.

Anys Reimann, NE NOIRE DE XXXV, 2022

Papier- und Farbcollage, Foto: Johannes Benzulla, VAN HORN

Was ruft diese Person?

Wir sind alle Menschen! Warum werden wir dann nicht auch alle als diese behandelt? Welchen Unterschied macht Aussehen, Geld, Sexualität, Herkunft, Name und Pronomen (...), dass es so einen Unterschied macht?

Geht wählen, lebt die Demokratie!

Sie singt, sie singt ein Lied über Freiheit in den Lüften.

Hi Merkel,

wie gefällt dir der Ruhestand?

Barbara Klemm
ANGELA MERKEL, FRAU STOIBER, EDMUND STOIBER, WAHLNACHT

2005 wurde Angela Merkel zur ersten Bundeskanzlerin Deutschlands gewählt. Damals arbeitete Barbara Klemm für die Frankfurter Allgemeine Zeitung als Fotojournalistin. Sie hielt drei Jahre zuvor die Wahlnacht, in der Gerhard Schröder (SPD) das letzte Mal Kanzler wurde, mit diesem Foto fest. Zu sehen sind Angela Merkel und Edmund Stoiber der CDU. Klemms Fotografien dokumentieren politische Ereignisse in einer Zeit vor digitaler Bildbearbeitung und Künstlicher Intelligenz. Auch ohne Bearbeitung steckt in jeder Aufnahme eine bestimmte Aussage der Fotografin. Aber wie lassen sich Bilder überhaupt objektiv wahrnehmen?

Barbara Klemm, ANGELA MERKEL, FRAU STOIBER, EDMUND STOIBER, WAHLNACHT, CDU-ZENTRALE, BERLIN, 2002

Silbergelatineabzug auf Barytpapier, Handabzug der Künstlerin, Dauerleihgabe Sammlung KiCo

Barbara Klemm
LEONID BRESCHNEW, WILLY BRANDT, WALTER SCHEEL

Die Fotografin Barbara Klemm hielt seit den 1960er-Jahren die Veränderungen in Politik und Gesellschaft in Deutschland und der ganzen Welt im Bild fest. 1973 fotografierte sie Leonid Breschnew (damals Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion) mit Bundeskanzler Willy Brandt in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn. Barbara Klemm als einzige Frau unter mächtigen Männern.

Barbara Klemm, LEONID BRESCHNEW, WILLY BRANDT, WALTER SCHEEL, BONN, 1973

Silbergelatineabzug auf Barytpapier, handabzug der Künstlerin, Dauerleihgabe Sammlung KiCo

Ulrike Rosenbach
DER MANN SEI DAS HAUPT DER FRAU

Im Entstehungsjahr von Barbara Klemms Fotografie von Willy Brandt stellt die Künstlerin Ulrike Rosenbach die Videoarbeit „Der Mann sei das Haupt der Frau“ her. Die Arbeit entstand vor 51 Jahren während feministische Bewegungen laut waren. Sie forderten die Selbstbestimmung der Frau. Kein Mann, nicht die Politik, nicht die Kirche, nicht der Ehemann sollten über den Körper der Frau entscheiden. Der Titel „Der Mann sei das Haupt der Frau“ zitiert die Bibel.

Ulrike Rosenbach, DER MANN SEI DAS HAUPT DER FRAU, 1973

Ursprungsformat: Fuji KCA 60, U-Matic, s/w, Ton, 6:28 min

Joseph Beuys
DEMOKRATIE IST LUSTIG

Joseph Beuys wollte die Bildung im Deutschland seiner Zeit erneuern. Die Ausbildung von Künstler:innen sollte gesellschaftliche Fragen einbeziehen. Als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf wollte er dort allen Bewerber:innen das Studium ermöglichen. Zusammen mit abgelehnten Bewerber:inen besetzte Beuys aus Protest mehrfach das Sekretariat der Akademie. 1972 wurde er deshalb entlassen und die Polizei führte ihn aus dem Sekretariat. Das inszenierte Pressefoto zeigt diese Situation.

Joseph Beuys, DEMOKRATIE IST LUSTIG, 1995

Offset-Lithografie auf Karton, Kunstmuseum Bonn, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Joseph Beuys
(MENSCH/SELBSTBESTIMMUNG) FÜR DIE GRÜNEN

Vor 45 Jahren wurde die Partei „Die Grünen“ gegründet. Einer der Mitbegründer war der Künstler Joseph Beuys. Für ihn waren Kunst, Gesellschaft und Politik eng verbunden. Kunst sah er als Möglichkeit, um positive Veränderungen zu bewirken. Beuys setzte sich nicht nur für den Umweltschutz ein, sondern auch für die Mitbestimmung aller Menschen.

Joseph Beuys setzte sich für die „Direkte Demokratie“ ein. Er wollte Personen zu aktiver Mitgestaltung ermutigen und befähigen. Ziel war die Abschaffung des Parteiensystems. Durch Volksabstimmungen sollten die Bürger:innen unmittelbaren Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Zu diesem Zweck gründete Beuys 1971 die Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung. Diese sollte über politische Mitbestimmung informieren.

Joseph Beuys, (MENSCH/SELBSTBESTIMMUNG), o. J.

Plakat, Kunstmuseum Bonn © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Joseph Beuys
BACKSTEIN FÜR F. I. U.

Der Künstler Joseph Beuys wollte „Kunst für alle“ schaffen. Er erstellte Multiples (Objekte in hoher Auflage), die für wenig Geld erhältlich waren. Die Objekte sollten seine Ideen vielen Menschen zugänglich machen. Eins dieser Multiples ist der Backstein FIU. Die Abkürzung steht für die von Beuys gegründete „Free International University“. Diese Organisation sollte Kreativität für die Gestaltung der Gesellschaft schulen. Die FIU wurde durch den Verkauf von Multiples wie diesem Backstein finanziert. Der Backstein kann auf verschiedene Weisen als Baustein verstandenen werden.

Joseph Beuys, BACKSTEIN FÜR F.I.U., 1983

Ziegelstein, Kunstmuseum Bonn, Foto: Reni Hansen

Was würdest du mit diesem Backstein gerne bauen?

Universitäten, Flüchtlingslager, Frauenshelter, Bücherreihen, Community, Räume, Häuser, wo Menschen zusammen kommen, um gemeinsam zu lernen, lieben, für einander da sein. Ihre differences feiern anstatt zu hassen. Von einander lernen.

Ein Pizza-ofen

Ein Kunstraum für Kinder

Eine Stiftebox für alle meine Farben.

"Liebe Mitbürger,

ich bin für eine bewusste Beteiligung im politischen Leben, und ich trete für DIE GRÜNEN ein, denn es ist klar geworden, dass alles, was wir in unser Leben einbeziehen, sinnlos wird, wenn das Leben selbst bedroht ist.

Nach meiner Erkenntnis brauchen wir eine ganz neue lebendige politische Kraft, damit wir eine Zukunft auf besseren Werten aufbauen können.

Ich arbeite für DIE GRÜNEN, denn sie sind mehr als das schlechte Gewissen der Parteien, und ich kandidiere für sie, denn nur DIE GRÜNEN in aller Welt wollen mit ihren schöpferischen Kräften eine wirkliche Neugestaltung unseres Lebens bewirken.

Darum ist die Stimme, die Sie den GRÜNEN geben, eine Stimme, die Sie sich selbst für eine bessere Welt geben.

Hochachtungsvoll, Ihr Joseph Beuys"

Vor der Mitgründung der Grünen war Joseph Beuys Spitzenkandidat der AUD (Aktionsgemeinschaft unabhängiger Deutscher). Diese Partei verband nationalistische und ökologische Themen. In den 1980er-Jahren ließ Beuys sich für die Grünen aufstellen – wie dieser Stimmzettel zeigt. 1982 zog seine Kandidatur für die Bundestagswahl wegen Unzufriedenheit mit dem Listenplatz jedoch wieder zurück. Ein Jahr später trennte die Partei sich von Beuys, als sie in den Bundestag einzog.

Das Kunstmuseum Bonn gibt Joseph Beuys‘ politische Einstellung als künstlerische Position wieder. Das Museum ruft nicht zur Wahl einer Partei auf.

Andreas Gursky
BUNDESTAG

Lange hatte Fotografie den Ruf, die Realität unverfälscht darzustellen. Mittlerweile ist dieses Vertrauen ins Wanken geraten. Der Fotograf Andreas Gursky bearbeitet seine Fotografien, indem er mehrere Aufnahmen kombiniert. 1998 fotografierte er den Bundestag in Bonn - kurz bevor die Regierung wieder nach Berlin zurückzog. Zu sehen sind die Abgeordneten im Plenarsaal bei einer Abstimmung mit Stimmkarten. Was ist real und was ist optische Täuschung?

Andreas Gursky, BONN, BUNDESTAG, 1998

C-Print, Leihgabe des Künstlers

Benjamin Bergmann
DER TRAUM VON EINER GROßEN SACHE

Für seine Arbeit nutzte Benjamin Bergmann Fensterscheiben aus dem Palast der Republik. Dieser wurde 1976 an der Stelle erbaut, an der zuvor das Berliner Stadtschloss gestanden hatte. Das historische Stadtschloss war Schauplatz verschiedener Regierungen. In der DDR sollte hier stattdessen ein „Palast des Volkes“ stehen: ein Ort für Freizeit, Kultur und politische Veranstaltungen zugleich. Nach der Wende wurde der Palast der Republik wegen verbautem Asbest geschlossen. Bis er 2008 abgerissen wurde, fanden hier Konzerte, Theater und Ausstellungen statt. Heute steht an seiner Stelle das wieder aufgebaute Stadtschloss, welches das Humboldt-Forum beherbergt. An diesem Ort wurden offenbar von verschiedenen „großen Sachen“ geträumt.

Benjamin Bergmann, DER TRAUM VON EINER GROßEN SACHE, 2012

Fassadenscheibe vom ehemaligen Palast der Republik Berlin: Aluminium, Glas, Stahl, Courtesy der Künstler

Wovon träumst du?

Ein friedliches Leben mit meiner Liebe

Ich träume von einer Zukunft. Zukunft wo Menschen sich liebevoll behandeln, wo Geld und Profit weniger Gewicht haben als Glück und Gesundheit

Sigmar Polke
ENTARTETE KUNST

Wie gehen wir mit Inhalten der Presse um? Der Ausgangspunkt für Sigmar Polkes Grafik war ein Zeitungsbild aus der Zeit des Nationalsozialismus. Es zeigt Besucher:innen der Ausstellung „Entartete Kunst“. Die Nationalsozialist:innen zeigten in dieser Ausstellung Kunstwerke, die nicht ihrer politischen Anschauung entsprachen. Die Kunst wurde in Ausstellungen und Medien herabgewürdigt, in Museen beschlagnahmt und teils zerstört. Das ursprüngliche Foto verfremdet Polke durch eine Rasterung, wie sie beim Abdruck von Fotografien entsteht. Hier erscheint das Raster allerdings stark vergrößert und vergröbert, das Motiv kaum noch erkennbar. Heute ist die Kunstfreiheit von Artikel 5 Absatz 3 im Grundgesetz gesichert.

Sigmar Polke, ENTARTETE KUNST, 1995

Offset-Lithografie auf Karton, Schenkung Lothar Späth, Jenoptik, Jena, Foto: Reni Hansen, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Paul Klee
SELTSAME FRACHT

Es ist unklar, was die „seltsame Fracht“ ist, die Paul Klee darstellt. Klee malte das Bild 1939, im Jahr von Adolf Hitlers Überfall auf Polen, einige Jahre nachdem der Künstler von Deutschland in die Schweiz emigrierte. In Deutschland hatte die nationalsozialistische Regierung unter Hitler ihm verboten auszustellen und die deutschen Museen verkauften seine Kunst ins Ausland. Ist die Fracht in Paul Klees Bild in die runde Form verpackt? Oder handelt es sich hierbei um ein rundes Segel?

Paul Klee, SELTSAME FRACHT, 1939

Kleister- und Ölfarben auf Briefpapier, mehrfarbiges Blatt, mit Leimtupfen auf Karton, Leihgabe der Prof. Dr. Wilfried und Gisela Fitting Stiftung

Wohin segelt diese Person?

Erik van Lieshout
UNTITLED

Der Künstler Erik van Lieshout blickt auf Deutschland und darauf wie Deutschland auf die Welt blickt. Seit der sogenannten „Flüchtlingskrise“ 2015 wird über „Willkommenskultur“ gesprochen. Aber wer heißt wen willkommen? Wie lange muss eine Person willkommen sein, bis sie angekommen ist?

Erik van Lieshout, UNTITLED (THE ISLAND), 2015

Mischtechnik auf Papier, Dauerleihgabe Sammlung KiCo

Was möchtest du in diesem Raum sehen?

Begegnungen mit Liebe und mehr Dialog

Für mehr Empathie und gegenseitiges Verständnis

Baum der Demokratie

Was bedeutet Demokratie für Dich? Am 15. September haben wir gemeinsam einen "Baum der Demokratie" aus unseren Vorstellungen und Wünschen erstellt.

Das könnte Sie auch interessieren