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Katharina Grosse

Studio Paintings
1988-2023

Katharina Grosse

Studio Paintings
1988-2023

Inhaltsverzeichnis
Biografie

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Biografie

Porträt Katharina Grosse

Foto: Larissa Hofmann

Einführung

Katharina Grosse (*1961 Freiburg im Brsg.) gehört zu den wichtigsten Maler:innen der Gegenwart. Ihre oft weit in den Außenraum ausgreifenden Werke werden international gewürdigt und wurden in den vergangenen zehn Jahren unter anderem gezeigt: entlang der Bahngleise des öffentlichen Nahverkehrs, Philadelphia (Mural Arts Program, 2014); Garage Museum of Contemporary Art, Moskau (2015); Biennale Venedig 2015; im Rahmen des Rockaway!-Programms des MoMA PS1, Fort Tilden, New York (2016); Triennale Arhus (2017); South London Gallery (2017); Carriageworks, Sidney (2018); Nationalgalerie Prag (2018); Kunstmuseum Shanghai (2019); K11 Art Space, Guangzhou (2019); Museum of Fine Arts Boston (2019/20);  Hamburger Bahnhof, Berlin (2020/21); Chill Seeping from the Walls Gets Between Us im HAM – Helsinki Art Museum (2021/2022), Chill Seeping im SCAD – Museum of Art, Savannah (2022); Warum Drei Töne Kein Dreieck Bilden in der Albertina in Wien zu sehen (bis April 2024).

Ihre Werke befinden sich u.a. in den Sammlungen folgender Museen: Albertina, Wien; Albright-Knox Art Gallery, Buffalo; ARKEN Museum für moderne Kunst, Kopenhagen; Baltimore Museum of Art; Centre Pompidou, Paris; Istanbul Modern; Kunsthaus Zürich; Kunstmuseum Bern; Kunstmuseum Bonn; K21–Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf; Lenbachhaus, München; Louis Vuitton Foundation, Paris; Magasin III, Stockholm; MARe (Muzeul de Artă Recentă), Bukarest; MAXXI–Museo nazionale delle arti del XXI secolo, Rom; Milwaukee Art Museum, Milwaukee; Museum Azman, Jakarta; Museum of Fine Arts, Boston; MoMA, Nasher Sculpture Center, Dallas; New York; Pérez Art Museum, Miami; Queensland Art Gallery & Gallery of Modern Art (QAGOMA), Brisbane; Serralves Museum of Contemporary Art, Porto und Staatliche Museen zu Berlin.

Katharina Grosse wurde mit vielfältigen Auszeichnungen und Stipendien bedacht, darunter: Villa- Romana-Preis (1992), Schmidt-Rottluff Stipendium (1993), dem Fred Thieler-Preis (2003) und dem Oskar Schlemmer-Preis (2014).

Ausstellung

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Ausstellung

Katharina Grosse, o.T., 2013, Acryl auf Leinwand, 300 x 257 cm

Courtesy: Museo Helga de Alvear, Cáceres

© VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Galería Helga de Alvear

Die Ausstellung Katharina Grosse. Studio Paintings 1988-2023 (25. April – 22. September 2024) präsentiert weltweit zum ersten Mal einen gültigen Überblick über die Leinwandarbeiten der Künstlerin, von den späten 1980er Jahren bis heute. Die Struktur der Ausstellung orientiert sich an Grosses organisierter und doch offener malerischer Methode. Die mehr als drei Jahrzehnte umfassende Werkauswahl wird nicht chronologisch, sondern aus den Beziehungen der einzelnen Arbeiten zueinander entwickelt und präsentiert, um einen genauen Blick auf ihre vielfältige und sich stets entwickelnde malerische Praxis als Ganzes zu ermöglichen.

Die Ausstellung gliedert sich in die titelgebenden zwei großen thematischen Felder Wiederholungen, Revisionen, Neufindungen und Risse, Brüche.

Wiederholungen, Revisionen, Neufindungen, umfasst ein breites Repertoire von Arbeiten, die seit den frühen 1990er Jahren entstanden sind, und verdeutlicht Grosses prozessuale, in zyklischen Bewegungen angelegte Arbeitsweise. Mit Farbbändern, die sich überlagern und ineinander verflechten erreicht sie dabei eine komplexe Verschränkung von Hinter- Unter- und Vordergrund. Ab Ende der 1990er Jahre gewinnt die Sprayfarbe an Dominanz, welche die Farbmaterialität ein Stück weit auflöst und in Wolkenschleier verwandelt, die sich wie ein Hauch über die Bildoberflächen legen und das performativ Prozesshafte der Arbeiten betonen.

Risse, Brüche knüpft an dieses Kapitel an, nimmt dabei aber vor allem die Methoden in den Blick, mit denen die Künstlerin das Medium der Malerei weiter aufbricht und bearbeitet, um seine Grenzen zu erweitern. Mithilfe der Kombination von disparaten Bildelementen wendet sie sich gegen die Idee des Bildes als einheitlicher Entität. Dazu gehört beispielsweise der Einsatz von Schablonen, die auf der Leinwand Leerstellen hinterlassen. Oder die Verwendung von natürlichen Materialien wie Erde und Ästen, die auf der Leinwand künstlich wirken und damit das übliche Verhältnis von Kunst und Natur in sein Gegenteil verkehren.

Nicht nur bei den In-situ-Werken, sondern auch bei den Leinwandarbeiten zielt das Vorgehen der Künstlerin auf Bilderfahrungen, die bewusst das Risiko des Offenen, nicht komplett Planbaren suchen und finden. Grenzen sind für dieses Werk insofern nicht limitierend, sondern als Möglichkeitsräume zu denken.

Die Ausstellung umfasst rund 40 meist großformatige Gemälde und wurde in Zusammenarbeit mit dem Mildred Lane Kemper Art Museum in St. Louis (USA) und dem Kunstmuseum Bern realisiert.

Außenskulptur
In Seven Days Time (2011)

Katharina Grosse, In Seven Days Time (Außenskulptur), 2011

Metall, Polyurethan, GFK, Acryl, 759 x 1826 x 12 cm

Kunstmuseum Bonn, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: David Ertl

Das Kunstmuseum Bonn und die Künstlerin verbindet eine lange, über die Jahre gewachsene Verbindung. So hat Katharina Grosse 2011 für das Museum eine sieben Meter hohe und zwanzig Meter lange Außenarbeit geschaffen, die seitdem als Signatur für das Haus und seine stark auf Nachkriegsmalerei ausgerichtete Sammlung fungiert. In Seven Days Time ist weder Skulptur noch reines Bild, sondern eine mit explosiver Spraymalerei bedeckte Farbform, die sich selbstbewusst in den Raum schiebt, und diesen dabei, nicht zuletzt durch die völlig unterschiedliche farbliche Gestaltung der Vorder- und der Rückseite, neu erlebbar macht. Zudem verfügt das Museum mit mehr als vierzig Arbeiten von den frühen 1990er Jahren bis heute über eine der größten Museumssammlungen zum Werk dieser Künstlerin.

Ausstellungstexte

03 Ausstellungstexte

Katharina Grosse, o.T., 1991, Öl auf Leinwand, 60,5 x 80,4 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn, 2024, Foto: Jens Ziehe

In den frühen Neunziger Jahren malte Katharina Grosse eine Reihe von klein- bis mittelformatigen Bildern in Öl, welche die ganze Aufmerksamkeit auf das widerspenstige Spiel der Farbpassagen lenken. Die Farbzonen scheinen auf den ersten Blick spontan aufgetragen. Erst auf den zweiten Blick treten die sich horizontal und vertikal planvoll überlagernden Pinselzüge deutlich hervor. Die Methodik des Farbauftrags tritt in den Vordergrund und verleiht allen Abweichungen eine dramatische Wirkung: Es kommt zu einem Gefühl des ineinander und gegeneinander Drängens der Farbzonen. Die Malerei scheint das Bild zu sprengen. Die Künstlerin richtet so den Blick auf einen Effekt, der für Malerei im Allgemeinen gilt, dass Bildebene und Malfläche niemals ganz übereinstimmen, weil die Malerei die Oberfläche durch ihre expansive Farbwirkung quasi vergrößert.

Katharina Grosse, o.T., 1996, Öl auf Leinwand, 214 x 376 cm

Kunstmuseum Bonn, Dauerleihgabe der Freunde des Kunstmuseums Bonn e.V.

© VG Bild-Kunst, Bonn, 2024, Foto: Reni Hansen

Das leuchtende Zitronengelb übernimmt in diesem Werk die Hauptrolle. Die vertikalen, zum Teil leicht gebogenen Bahnen entwickeln unterschiedliche Wirkungen je nach Nachbarschaft und Untergrund. Mit dem Dunkelblau im Hintergrund wirkt das Gelb grünlich, im Kontrast zum Blau ist die Sättigung und Intensität am stärksten. Ist der Untergrund weiß, wirkt das Gelb deutlich heller. Katharina Grosse sieht sich in der Gestaltung dieser Farbbeziehungen als Vermittlerin zwischen den einzelnen Farben:

„Wenn ich male, bin ich emotional verbunden mit sich überlappenden Farbbewegungen. Ich fühle mich in diesem Moment wie eine Schiedsrichterin zwischen Gelb und Blau.“

Zugleich erinnern die Farbbahnen an Vorhangfalten und damit an ein kunstgeschichtlich häufig verwendetes Motiv, das die Frage provoziert, was sich hinter dem Vorhang verbergen könnte, wenn er doch selbst das Thema der Malerei ist.

Katharina Grosse, o.T., 1995, Öl auf Leinwand, 210 x 280 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn, 2024, Foto: Jens Ziehe

Katharina Grosse liebt das Spiel mit Paradoxen. Sie betrachtet ihre Malerei als ein Feld, in dem widersprüchliche Erfahrungen gemacht werden können, und die herkömmliche Logik des Denkens über Malerei hinterfragt wird. So auch bei diesem Ölbild aus dem Jahr 1995.

Es erscheint aus der Distanz als gleichmäßig in Braun gemaltes Monochrom. Erst bei genauem Hinsehen offenbaren sich die feinen vertikal ineinander verwobenen Pinselhaarspuren. Die Farbwirkung setzt sich zusammen aus Partien in Grün und Rot, die sich vor einem dunkelbraun-schwarzen Untergrund abheben. Während die oberste Farbschicht vertikal verläuft, erscheint dahinter eine horizontale Schicht von Pinselspuren. Das Durchscheinende ist Effekt des starken Drucks auf den Pinsel, so dass sich die Pinselhaare auseinanderspreizen und den Untergrund freilegen. Es kommt zu einem paradox anmutenden visuellen Eindruck von Dichte versus Leichtigkeit des Farbauftrags, gemischten versus reinen Farbtönen sowie Einfarbigkeit versus Vielfarbigkeit.

Katharina Grosse, o.T., 2002, Acryl auf Leinwand, 269,2 x 203 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn, 2024, Foto: Jens Ziehe

Flammengleich ziehen orange-gelbe und grüne Farbstreifen vertikal durch das Bild. Das flackernde Orange wirft grüne Schatten, die sich in den Lücken manchmal als feiner Spraystaub zeigen, und manchmal in dunklen Linien und nach unten tropfenden Schlieren verlaufen. Dieses Werk entstand in der frühen Experimentierphase mit Sprayfarbe in den 2000er-Jahren. Es wird sichtbar, wie sich Katharina Grosse für die Überlagerung der Farbschichten interessiert. Obwohl sie stellenweise verdeckt sind und nur deutungsweise aufscheinen, bleiben sie stets sichtbar. Thema dieses Bildes sind demnach nicht nur die Farben Orange-Gelb und Grün, sondern auch die Kontaktzone, in der sich Farbtöne verweben. Welche Farbe drängt sich stärker in den Vordergrund, welche tritt zurück? Wird der Bildgrund Weiß auch als Farbe oder eher als Leerstelle wahrgenommen? Die Künstlerin prüft bei jedem neuen malerischen Entscheid auch unsere Wahrnehmung.

Katharina Grosse, o.T., 2004, Öl auf Leinwand, 150 x 250 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn, 2024, Foto: Jens Ziehe

Farbe erscheint in Katharina Grosses Bildern weniger als Material denn vielmehr als lichterfüllte Form. Die deutlich vertikal und horizontal gesetzten breiten Pinselzüge erscheinen wie ein in Schuss und Gegenschuss gewebtes Stoffstück. Obwohl sich mehrere Farbschichten übereinander lagern, sind die unterschiedlichen Partien gut voneinander abgesetzt: zuunterst scheinen Hell- und Dunkelgrün durch, dann folgt Orange und schließlich ein gezacktes Feld von Magenta. Da die Pinselborsten sich beim Malen auf der Leinwand spreizen, bleibt eine Farbschicht zurück, die transparent bleibt. Die Künstlerin interessiert sich für Grenzzonen. Als solche betrachtet sie jene Gebiete auf dem Bild, die genauso als Abtrennung wie als Verbindung verstanden werden können. In solchen Grenzzonen kann Widersprüchliches akzentuiert auftreten. Wie etwa die malerische Frage, weshalb die Untermalung durch die Übermalung hindurch sichtbar bleibt. Etwas, was normalerweise ausgeschlossen ist und was nun ein neues optisches Kräfteringen auf dem Bild entfacht.

Katharina Grosse, o.T., 2008, Acryl und Erde auf Leinwand, Ø 220 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn, 2024, Foto: Hans-Georg Gaul

Die beiden Tondi in der Schau waren ursprünglich Teil einer In-Situ-Ausstellung im Außenraum 2008. Nach dem Ende der Ausstellung rettete Grosse diese beiden Leinwände und erklärte sie zu Atelierbildern.

Während die oberen Partien beider Bilder dicht gesprühte, farbintensive Überlagerungen zeigen, sind in den unteren Partien Bereiche der Leinwand zu erkennen, die durch Witterungseinflüsse, Schmutz und verkrustete Erde gekennzeichnet sind. Auf diese Weise verbindet Grosse das Bilder malen mit elementaren Schaffensprozessen, wobei beide nun gemeinsam ein Werk bilden. Die Grenze zwischen gemalter Fläche und verschmutzter Leinwand überwindet Grenzen zwischen Kultur und Natur, Künstlerin und den Kräften des Lebens.

Katharina Grosse, o.T., 2009, Acryl und Erde auf Leinwand, 201 x 135 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Jens Ziehe

Das Malen von hellen Farben auf dunklem Grund wird in der klassischen Malerei als Lichteinfall verstanden. Katharina Grosse nutzt diesen funktionalen Zusammenhang, um mit den kalttonigen Farben neue Farberlebnisse zu schaffen. Hier streicht sie mit dem Pinsel über vorgesprayte Bildebenen und bringt die irisierende Farbe auf dem dunkeln Hintergrund zum Leuchten. Nur in den organisch geformten, ausfransenden Flecken wird das darunterliegende Farbgeschehen, die frühere Zeitebene, greifbar. Das Verwirbeln verschiedenster Farben verkörpert für die Künstlerin auch das Zusammenführen unterschiedlicher zeitlicher und räumlicher Momente. Die logische Anordnung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschwindet zugunsten einer Gleichzeitigkeit.

Katharina Grosse, o.T., 2010, Acryl auf Leinwand, 215,5 x 147 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Jens Ziehe

Wieviel Bildgeschehen braucht es, damit ein gemaltes Bild als solches noch erkennbar ist? Bisher deckten Schablonen nur einen Teil des Gemäldes ab und eröffneten dadurch kleine Durchblicke in ein früheres Stadium des Bildes. Hier dagegen scheint ein Großteil des Bildgeschehens malerisch nicht bearbeitet zu sein. Die Künstlerin geht gewissermaßen fast bis an die Grenze, wo eine weiß grundierte Leinwand Malerei manifestiert. Die Formen, welche im Leerraum entstehen, werden dabei genauso kompositions-bestimmend, wie das tatsächlich Gemalte. Die Rolle der Farbe wird auf den Punkt gebracht: Farbe als etwas, was nicht eine Realität abbildet oder etwas beleuchtet, sondern als Ort, wo etwas aufscheint, das man sich noch nicht vorstellen kann.

Katharina Grosse, o.T., 2013, Acryl auf Leinwand, 300 x 257 cm

Courtesy: Museo Helga de Alvear, Cáceres

© VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Galería Helga de Alvear

In einigen Werken verwendet Grosse Schablonen, um Leerstellen zu erzeugen, in anderen, wie diesem, verwendet sie sie, um geradezu überbevölkerte Flächen und bildliche Exzesse zu schaffen. Hier stehen wir vor einer undurchdringlichen Ansammlung verschiedenster Formen, von denen einige direkt gemalt wurden und andere das Ergebnis der Arbeit mit Schablonen sind. Üppige Farbfelder und Kleckse unterschiedlicher Größe und Formen schweben, fließen und tropfen. Der Zusammenprall all dieser geschichteten und schablonierten Formen erzeugt den Eindruck, als wären die Fragmente ausgeschnitten und zusammengeklebt. Malerei wird hier kenntlich als ein labyrinthischer Prozess, der sich gegen jedwede Eindeutigkeit sperrt.

Katharina Grosse, o.T., 2016, Acryl auf Leinwand, 290 x 200 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Jens Ziehe

Bei gewissen Gemälden ist der Bereich des Abgedeckten größer als der Bereich des Bemalten, so dass sich die Gewichtung, was Malerei ausmacht, zugunsten der umgebenden Ränder verschiebt. Hingegen sind die Verbindungen der bemalten Form mit der „leeren“ Umgebung vielfältig. Es gibt verlaufende Tropfspuren, oder ausfransende Sprayfelder, so dass die Malerei quasi über das Bemalte hinausführt. Dezidiert sind die Farben gesetzt: Grün neben Hellblau über Rot, Orange, Gelb und Magenta. Immer wieder zelebriert die Künstlerin die Macht der Farben. Denn Farbe erzeugt unmittelbar eine Resonanz. Bevor man sich dessen bewusst wird, reagiert man instinktiv darauf. Farbe ist ortsunabhängig und kann überall in Erscheinung treten. Sie kann gewohnte Zusammenhänge aufbrechen oder sprengen – wie etwa abgesteckte Terrains, inhaltliche Erwartungen oder feste Hierarchien.

Katharina Grosse, o.T., 2019, Acryl auf Leinwand, 388 x 240 cm

Courtesy: Gagosian

© VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Jens Ziehe

2019 begann Grosse mit einer Nass-in-Nass-Technik auf kleinen Papierbögen zu experimentieren. Sie trug die Farbe auf und kippte das Papier dann in verschiedene Richtungen, so dass die Farbe tropfte, Farbpfützen und organische Formen entstanden. Im selben Jahr adaptierte sie diese Technik durch die Verwendung von Acrylfarbe auf großformatigen Leinwänden, wie dieser hier. Hier fließen die leuchtenden Pigmente in Gelb, Rot und Blau in verschiedenen Richtungen über die Oberfläche, überschneiden sich, vermischen sich und gehen an vielen Stellen ineinander über .

Katharina Grosse, o.T., 2021, Acryl auf Leinwand und Holz, 349 x 249 x 80 cm

Courtesy: Privatsammlung

© VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Jens Ziehe

Mit seiner von oben in das Bild hineinstürzenden blau-grün-gelben Farbwelle greift dieses Werk das Thema einer umfassenden Dynamisierung auf, das in vielen Arbeiten Katharina Grosses eine wichtige Rolle spielt. Zudem integriert die Künstlerin hier, wie auch in anderen aktuellen Arbeiten bewusst organische Materialien wie beispielsweise Erde oder – in diesem Fall – einen Teil eines Baumes. Mit dem übermalten Baumfragment zeigt sie die Fähigkeit von Farbe, Dinge zu verbinden und Unterschiede zwischen Bildgeschehen und Bildumgebung aufzuheben. Bei der Verwendung des Zweiges geht es ihr darum, ihre nicht darstellende Malerei mit etwas zu verflechten, das jeder kennt und benennen kann, das Abstrakte also quasi mit etwas Realistischen zu verbinden. Die Malerei und die Naturmaterialien irritieren sich gegenseitig und bringen das herkömmliche Verhältnis von natürlich zu künstlich ins Wanken.

Katharina Grosse, o.T., 2021, Acryl auf Leinwand, 324 x 205 cm

Kunstmuseum Bonn, Dauerleihgabe Sammlung KiCo

© VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Jens Ziehe

Grosse arbeitet hauptsächlich in Deutschland und Neuseeland. Für einige der Gemälde, die in ihrem neuseeländischen Atelier entstanden sind, hat sie vor und während des Sprühens von Farbnebeln Stränge aus Algen und Seetang auf die Leinwand aufgetragen. Nachdem die Farbe getrocknet war, entfernte die Künstlerin den Seetang vorsichtig. Als Ergebnis sehen wir sich windende, leuchtende, rätselhafte Bänder – einige feiner, andere dicker. Diese organischen Formen lassen auch die Farben früherer Farbschichten hervorscheinen. Zudem fungieren sie als Markierungen für die nunmehr geisterhafte Präsenz dieser elementaren Materialien. Sie erinnern bis zu einem gewissen Grad an das Verschwinden der Natur, aber auch an ihre energetische Präsenz.

Katharina Grosse, o.T., 2022, Acryl auf Leinwand, 238 x 158 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Jens Ziehe

Dieses Werk aus dem Jahr 2022 ist eines der jüngsten Werke dieser Einzelausstellung. Prägnant tritt hier das Schlaufenmotiv hervor, welches schon in einigen anderen Werken eine zentrale Rolle spielte. Katharina Grosse hat die Sprayfarbe in schwingenden Bewegungen aufgetragen, und verschiedenste Farbpartien von Gelb über Orange bis zu kräftigem Magenta neben- und übereinandergelegt. Dieses Werk verweist auf die performative Arbeitsweise der Künstlerin, welche in ihrem Studio meist mehrere Leinwände gleichzeitig bearbeitet, indem sie in einer Bewegung über alle hinwegsprayt. Dieses Werk gibt uns nur einen Ausschnitt einer größeren Bewegung zu sehen, die über die Leinwand hinausreicht.

Katharina Grosse, o.T., 2023, Acryl auf Leinwand, 340 x 267 x 59 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Jens Ziehe

Dieses Gemälde, wie auch andere Werke aus den Jahren 2021-23, besteht aus ungespannten und geschlitzten Leinwandfragmenten, die nur oben miteinander verbunden sind, so dass sie frei und in mehreren Schichten bis auf den Boden fallen. Die Fragmente wurden mit intensiv gesättigten Farben besprüht, die in starkem Kontrast zu den größeren und kleineren Lücken zwischen ihnen stehen – Lücken, welche die weiße Wand, auf der die Leinwände montiert sind, deutlich hervortreten lassen. Die klaffenden Einschnitte betonen den Moment der Verletzung, während die weiße Wand, die sich hinter ihnen zeigt, gleichzeitig eine Verbindung zum umgebenden Raum herstellt

Katalog

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Katalog

Der in Zusammenarbeit mit dem Mildred Lane Kemper Art Museum in St. Louis (USA) herausgegebene Katalog entfaltet auf mehr als 310 Seiten die zwischen 1988 bis 2022 entstandenen Leinwandarbeiten Katharina Grosses. Die Publikation enthält neben großformatigen Abbildungen aller in der Ausstellungstournee gezeigten Werke auch zahlreiche Referenzabbildungen und Atelieransichten. Essays von Sabine Eckmann, Kathleen Bühler, Graham Bader, Gregory H. Williams und Stephan Berg erschließen das Werk der Künstlerin umfassend.

Ausstellungsvideo

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Ausstellungs-
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KURATOR DER AUSSTELLUNG:
Stephan Berg

@KunstmuseumBonn
#KMBxKATHARINAGROSSE
www.kunstmuseum-bonn.de

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